Geschichte der Stadt

Obwohl das Gliwice Land bereits in der späten Altsteinzeit besiedelt war (8.000 – 9.000 Jahre vor Christus), was u.a. Ausgrabungen in Ellguth Zabrze/Ligota Zabrska, Szobiszowice, Wójtowa Wieś und Dzierżno belegen, stammen die ältesten Urkunden, die die Geschichte der Stadt Gliwice und ihrer heutigen Stadtteile dokumentieren, erst aus dem 13. Jahrhundert. An der Stelle der heutigen Stadt bestand damals eine an der Handelsstraße Wrocław – Kraków gelegene Handelssiedlung, die 1276 vom Herzog Wladislaus von Opole das Stadtrecht erhielt. Neben dem Handel gehörte das Handwerk (u.a. Bierproduktion, Bier- und Hopfenverkauf) zu den Hauptbeschäftigungen der Bevölkerung. Im Mittelalter war die Stadt von einem Erdwall und einem Stadtgraben umgeben. Das Wasser für den Stadtgraben lieferte der Fluss Ostropka. Die ehemalige Stadtbefestigung lässt sich heute am Verlauf der Straßen Dolnych Wałów und Górnych Wałów erkennen. Um 1431 wurde die Stadtmauer samt dem Beuthener (Weißen) und dem Ratiborer (Schwarzen) Tor errichtet. Seit 1281 gehörten Gliwice und Umgebung zum dem von den Piasten regierten Herzogtum Bytom. Von 1322 bis 1342 existierte das selbständige Herzogtum Gliwice, an dessen Spitze Herzog Siemowit stand.

Nach dem Tod des letzten Beuthener Herzogs aus dem Geschlecht der Piasten wurde 1354 das Herzogtum Beuthen und damit auch Gliwice unter die Herzöge von Cieszyn und Oleśnica geteilt. Von 1429 bis 1431 bildete die Stadt kurz den Sitz einer Hussiteneinheit unter Sigmund Korybut. 1526 kamen Gliwice und die gesamte Region Schlesien unter das Zepter der Habsburger. 1558 verpfändete Kaiser Ferdinand die Stadt und die Schlossgüter an Friedlich Zetritz (Cetrycz). Kurze Zeit später wurde Gliwice während des Dreißigjährigen Krieges mehrmals belagert und erobert (u.a. wurde es 1623 von den Verbänden der polnischen Lisowczycy ausgeplündert, 1645 von der schwedischen Armee des Generals Torstenson erobert, 1626 konnte es sich gegen die dänischen Verbände Ernst Mansfelds behaupten). 1683 hielt sich der polnische König Johann III. Sobieski, der zum Entsatz der von den Türken belagerten Stadt Wien eilte, kurz in Gliwice auf.

Im 17. und 18. Jahrhundert verwandelte sich die Stadt aus einem typischen Zentrum des Handels und Handwerks, in dem Bierproduktion und -verkauf eine große Rolle spielten, in ein Zentrum der Tuchmacherei. Diese Branche kam jedoch nach den Schlesischen Kriegen zwischen Preußen und Österreich zum Erliegen. Infolge dieser Kriege kam Gliwice wie auch fast ganz Schlesien 1741 unter preußische Herrschaft. Der Landkreis Toszek / Gliwice wurde gebildet.
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich in Gliwice die Industrie. In der damaligen Zeit war Graf Friedrich von Reden (1752-1815), der als „Vater der oberschlesischen Industrie“ bezeichnet wird, Direktor des Oberbergamtes in Breslau. Auf seine Initiative wurde in der Stadt die Königliche Eisengießerei in Betrieb genommen, die über den Klodnitz-Kanal mit der Königin-Luise-Grube in Zabrze verbunden war.

Nachdem die Stadt im Jahre 1845 einen Anschluss an die Oberschlesische Eisenbahn bekommen hatte, entstanden hier Hütten-, Maschinen-, mechanische und chemische Werke. 1848 begann die Breslauer Kaufmannsfamilie Caro in Laband mit dem Bau der Herminenhütte. 20 Jahre später ließ Salomon Huldschinsky in Gliwice ein Rohrwalzwerk bauen. 1852 entstanden die Draht- und Nagelfabrik Wilhelm Hagenscheidts, Abteilungen der Kesselfabrik Leinveber und Co., die Oberschlesischen Kesselwerke B. Meyer, die Maschinenfabrik Adolf Hennig, die Glashütte im Nowa Wieś, die Gleiwitzer Chemische Fabrik Dr. Hiller, die Stettiner Chamotten-Fabrik AG, zahlreiche Ziegeleien, Sägewerke, Mühlen und Lebensmittelwerke. 1901 wurde die Gleiwitzgrube eröffnet (Kohleförderung seit 1913), 1917 wurden die ersten Kohlen aus der Oehrigengrube (später Bergwerk „Sośnica”) gefördert.

Gleichzeitig entwickelte sich die Stadt im zivilisatorischen Bereich. In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Stadtgraben zugeschüttet und die Wehrmauer abgetragen. Nördlich der mittelalterlichen Altstadt entstanden neue Straßen und Viertel. 1816 wurde in Gliwice das erste Gymnasium eröffnet, später entstanden auch zahlreiche Volksschulen. 1826 wurde die erste Druckerei und 1854 das erste Gaswerk in Betrieb genommen. Die erste Bank wurde 1851 eröffnet. 1894 wurden in Gliwice und Bytom die ersten oberschlesischen Straßenbahn eingeweiht (zuerst mit Dampf-, seit 1898 mit elektrischen Motoren angetrieben). Im Zusammenhang mit der fortschreitenden Elektrifizierung des Oberschlesischen Industriegebietes (Eröffnung des Kraftwerkes in Zabrze 1897) wurden in Gliwice die Oberschlesischen Elektrizitäts-Werke gegründet. Seit 1901 wurde das Wasser aus der Entnahmestelle Zawada geschöpft. 1906 wurde Kanalisation angelegt. Zum Ende des 19. Jahrhunderts waren in Gliwice mehrere Banken tätig; in der Stadt entwickelte sich intensiv das gesellschaftlich-kulturelle Leben; deutsche (die Philomaten, gegründet 1866, die Freimaurerloge 1887, Oberschlesische Museumsgesellschaft 1905) und polnische Vereine (Turnverein „Sokół”, St. Alois-Gesellschaft 1896, Polnischer Verein „Harmonia” 1898) waren hier tätig. Überdies erschienen deutsche und polnische Zeitungen: u.a. „Der Oberschlesische Wanderer (seit 1828), „Die Gegenwart” (1848), „Die Oberschlesische Volksstimme” (1875), „Opiekun Katolicki” (1898), „Głos Śląski” (1903). 1899 wurde das Stadttheater „Victoria“, 1905 das Museum eröffnet.

Nach der Volksabstimmung und der Teilung Oberschlesiens 1922 verblieb die Stadt bei Deutschland. Ende der 1920er Jahre wurde das Dreistädteeinheit-Konzept entwickelt, in dessen Rahmen Bytom, Gliwice und Zabrze hätten zu einer einheitlichen Stadt vereinigt werden sollen. Wegen der Weltwirtschaftskrise wurde die Idee jedoch nicht umgesetzt. Trotz der Krise entwickelte sich Gliwice in den 1930er Jahren mit einer bisher nicht bekannten Intensität. Der Bau des Flughafens, die Modernisierung und der Umbau des Eisenbahnknotens, der Bau des Gleiwitzer Kanals und der Autobahn veränderten das Antlitz der Stadt.
Am Vortage des Zweiten Weltkrieges besetzten als polnische Aufständische verkleidete Angehörige einer deutschen Spezialeinheit unter Oberleutnant Naujocks den Sender Gliwice an der Landstraße Tarnogórska. Damit sollte ein propagandistischer Anlass für den Angriff auf Polen geschaffen werden. Der Vorfall ist als „Gleiwitzer Provokation“ in die neuste Geschichte eingegangen.

In der Kriegszeit wurden die Industriewerke der Stadt völlig auf Rüstungsproduktion umgestellt. Da die meisten Männer eingezogen wurden, gab es an jeder größeren Fabrik ein Arbeitslager. In Gliwice funktionierten vier Arbeitslager (Filialen des Lagers Auschwitz III Monowitz). Zu erwähnen wäre darüber hinaus, dass im nahen Nieborowice ein Durchgangslager für verhaftete polnische Soldaten, schlesische Aufständische und polnische Aktivisten gebildet wurde. Am 24.01.1945 wurde die Stadt von der sowjetischen Armee besetzt. Infolge der Potsdamer Beschlüsse wurde sie an Polen angeschlossen.

Das Gliwice von heute gehört zu den sich am schnellsten entwickelnden Städten des oberschlesischen Ballungsraumes; es ist das oberschlesische „Technopolis“ (seit 2005 ist Gliwice Mitglied der World Technopolis Association, einer Organisation, der dynamische Universitäts- und Wissenschaftszentren mit industrieller Tradition angehören). Die Hauptpfeiler der Stadtentwicklung stellen neue Technologien (I3D, Flytronic), die Autoindustrie (General Motors) und die Logistik (Segro Business Park Gliwice, Tulipan Park Gliwice, Diamond Business Park Gliwice und Panattoni Park Gliwice) dar. Seit 1945 ist Gliwice ein wichtiges Wissenschaftszentrum und die Schlesische Technische Universität (Politechnika Śląska) gehört zu den größten technischen Hochschulen Polens. In der Stadt sind überdies die Gliwice Hochschule für Betriebswirtschaftslehre (Gliwicka Wyższa Szkoła Przedsiębiorczości), ein Lehrerkolleg und zahlreiche Brancheninstitute und Forschungseinrichtungen der Polnischen Akademie der Wissenschaften tätig: das Institut für Chemische Technologie, das Institut für Theoretische und Angewandte Informatik, das Zentrum für Polymer- und Kohlestoffe.

Edward Wieczorek